!Die Veranstaltung musste leider krankheitsbedingt abgesagt werden!
Eine VA der DIG AG KÖLN mit Gesellschaft für kritische Bildung und dem Bündnis gegen Antisemitismus (BgA) Köln
In der Reihe „Die Herausforderung der Shoahforschung“ spricht Dr. Nicolas Berg (Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow)
Was heute im Allgemeinen mit dem Begriff „Holocaustforschung“ bezeichnet wird – die wissenschaftliche Rekonstruktion und historische Darstellung der Verfolgung und Ermordung der deutschen und europäischen Juden durch Nazideutschland in den Jahren zwischen 1933 und 1945 – war nach dem Zweiten Weltkrieg zuerst das Werk von wenigen Außenseitern: jüdischen Überlebenden, Zeitzeugen und „Survivor-Scholars“ (Aurélia Kalisky) in Polen, Frankreich, England, den Vereinigten Staaten und Israel.
In Deutschland dauerte es dagegen mehrere Jahrzehnte, bis die Geschichtswissenschaft damit begann, sich für das Thema überhaupt zuständig zu fühlen. So war es auch hierzulande ein staatenloser Außenseiter jenseits des akademischen Betriebs, der mit seinen Dokumentationen, Büchern und Aufsätzen zum Thema den Beginn machte: Joseph Wulf (1912-1974). Wulf hatte Auschwitz überlebt, war direkt nach Kriegsende in Polen am Jüdischen Historischen Institut in Warschau einer der Mitarbeiter, die Teile des Ringelblum-Archivs aus dem Warschauer Ghetto entdeckten und sichern konnten; Anfang der 1950er Jahre ging er über Paris nach Westberlin, wo über zwei Jahrzehnte hinweg seine Werke entstanden: Die Bände „Das Dritte Reich und die Juden“ (1955), „Das Dritte Reich und seine Diener“ (1956) und „Das Dritte Reich und seine Denker“ (1959) erarbeitete er in zusammen mit dem französischen Historiker und Holocaustüberlebenden Léon Poliakov; „Das Dritte Reich und seine Vollstrecker“ (1961) und viele weitere Bände – etwa über Musik, Presse und Literatur – veröffentlichte er allein.
Der Vortrag stellt das lange Zeit vergessene Lebenswerk dieses außergewöhnlichen Pioniers vor, dessen 50. Todestag wir im Oktober dieses Jahres begehen. Die Ausführungen widmen sich dabei auch von den Widerständen und der Ausgrenzung, die Wulf in Deutschland – teils durch die politische Öffentlichkeit, teils durch die etablierte Zeitgeschichtsforschung – entgegengebracht wurden. Im Zentrum der Ausführungen steht die besondere Methodologie einer „dokumentarischen Geschichtsschreibung“, die Wulf nicht nur praktizierte, sondern auch theoretisch reflektierte.